10 Sätze, die verletzen statt zu helfen
Viele Menschen meinen es gut und sagen Worte zu trauernden Personen, die mitunter sehr verletzend sein können. In diesem Beitrag möchte ich einige dieser Aussagen sammeln, erklären, warum sie verletzen und Alternativen nennen, die wohltuend sein können. Jeder Mensch ist anders und es kann sein, dass etwas was mir wohl tut jemand anderen sogar verstören kann. So ist es auch mit Worten. All diese Aussagen haben mir trauernde Menschen zukommen lassen. Und viele dieser Sätze werde sehr oft gesagt. Es geht nicht darum, Personen die solche Sätze sagen zu verurteilen. Es geht darum, ein Bewusstsein zu schaffen und eine Idee zu bekommen, was möglich sein kann.
Leider hören Eltern, deren Kind gestorben ist noch immer die Worte:
Du bist noch jung, du kannst doch noch mehr Kinder bekommen.
Dieses eine Kind ist unersetzlich. Egal ob es am Anfang der Schwangerschaft verstirbt oder mit 19 Jahren. Besonders oft hören diesen Satz jedoch Eltern, deren Kind auf die Welt stirbt (wie Rainer und Vera Juriatti es nennen) Und auch diese Kinder sind einzigartig. All die Hoffnungen, Erwartungen, Wünsche, Sehnsüchte, Zukunftsbilder, Freude und Liebe die mit diesem Kind verbunden sind, sterben mit.
Auch die Frage nach der Schwangerschaftswoche, die dann je nach „Alter“ mit „Oh, doch schon so weit!“ oder „Ach, das war ja Gott sei Dank noch nicht so weit.“, beantwortet wird, tut weh.
Fragen Sie, ob das Kind einen Namen hat. Fragen Sie ob Erinnerungsstücke oder einen Gedenkort haben. Fragen Sie, wie es den Eltern und evtl. Geschwistern geht. Und vor allem, lassen sie die Väter nicht außen vor.
Bei Kindern, die auf dieser Welt schon außerhalb der Familie sichtbare Spuren hinterlassen haben, könne Sie fragen, wie es den Eltern geht. Sie können sagen, wie schrecklich Sie das finden. Sie dürfen auch Ihre Ohnmacht zum Ausdruck bringen und anmerken, dass Sie nur erahnen können, wie schwer das sein muss.
Du musst jetzt stark sein für deine Frau und/oder dein Kind
Nein, Menschen die selber trauern müssen nicht stark für andere sein. Sie können das nicht. Sie haben die eigene Trauer und dürfen diese auch leben. Mit diesem Satz nehmen Sie der betroffenen Person die Erlaubnis selber trauern zu dürfen. Fragen Sie Väter auch nicht nur, wie es der Mutter geht.
Fragen Sie, wie geht es dir? Wie geht es euch als Paar oder als Familie? Kann ich Dir/Euch etwas Gutes tun?
Du musst loslassen
Es geht in der Trauer (anders als beim Sterben) eben nicht um das Loslassen. Es musste der Körper losgelassen werden.
In der Trauer geht es darum, eine neue Verbindung mit dem Verstorbenen zu bekommen. Die Erinnerungen und die Liebe bleiben. Und sie dürfen für immer bleiben. Es ist Teil der Lebensgeschichte der trauernden Person. Ein Beispiel dazu: Auch wenn Sie nicht mehr jugendlich sind, gehört die Jugend zu Ihrer Lebensgeschichte und es wird nicht verlangt, dass dieser Teil des Lebens losgelassen werden muss.
In der Verbundenheit mit dem verstorbenen Menschen geht es später auch darum, das neue Leben, im Angesicht dessen, dass ich mir das so nicht gewünscht habe, anzunehmen und auch zu gestalten.
Lassen Sie Ihre Hilflosigkeit zu und sagen Sie, dass Sie nicht wissen, was Sie sagen sollen. Oder dass Sie so gerne helfen würden und wissen, dass Sie es nicht können.
Zum Glück ist er/sie jetzt erlöst (hat keine Schmerzen mehr) (muss nicht mehr leiden)…
Natürlich ist es eine Erlösung von der Krankheit. Und was wäre, wenn es diese Krankheit, dieses Leiden, gar nicht gegeben hätte? Es bekommen ja nicht alle Menschen eine lebensverkürzende Krankheit. Warum gerade er/sie?
Es ist ungerecht. Und es gibt nichts, das es gut macht. Nichts, das es weniger schlimm macht.
Außerdem leidet jetzt genau diese Person, zu der Sie das sagen. Diese Person muss jetzt mit dem Schmerz der Trauer leben
Wagen Sie es, das Schweigen auszuhalten und zu sagen: Wenn du magst, bin ich da. Hören Sie zu, was die trauernde Person zu beklagen hat. Es ist kein Jammern (gejammert wird über das Wetter oder dass das Essen nicht so gut schmeckt). Geklagt wird über das, was unser Leben so dramatisch verändert, dass nichts mehr ist, wie es war und wie es geplant, gewünscht und erträumt wurde.
Deine Tochter ist noch so jung, sie wird ihn schon vergessen
Soll das das Ziel sein, dass der Vater oder die Mutter vergessen wird? Nein! Es geht darum die Erinnerung wach zu halten, ohne sie aufzuzwingen. Es geht darum den verstorbenen Elternteil im Herzen bei sich haben zu dürfen. Denn wie schlimm ist es, wenn ich nichts weiß von einem Elternteil, nicht darüber reden darf und kein Bild von ihm habe?
Sie können fragen, meinst du deine Tochter wird sich an ihn erinnern? Unterstützt du sie dabei mit Bildern und Erzählen von ihm? Was möchtest du, dass sie über ihren Vater mit in ihr Leben nimmt?
Du bist so stark, du machst das so gut
Was nach einem Lob klingt fühlt sich oft niederschmetternd an. Leider klingt mit „Zeig mir nicht, wie es dir wirklich geht“ Oder „Gott sei Dank hast du darum keine Erwartung an mich“
Dieses scheinbare Lob gilt der Maske, die trauernde Menschen oft aufsetzen um zu entsprechen. Es gilt nicht der ganzen Person, denn die fühlt sich meist verletzt, klein und nicht richtig in diesem veränderten Leben.
Sie können fragen, wie geht es dir wirklich? Was hilft dir, dass du im Außen so stark wirkst? Magst du mir erzählen, wie es in dir aussieht?
Das wird schon wieder. Du findest noch einen neuen Partner.
Nein, es wird nicht wieder. In diesem Fall der Partner bleibt tot. Das Leben wie es war, das kommt nicht wieder. Es wird nicht wieder, wie es war. Und Partner können nicht einfach ausgewechselt werden. Ein neuer Partner, das kann schon sein. Doch er wird kein Ersatz für den verstorbenen Menschen sein. Es wird so ganz anders werden. Und es darf auch wieder schön werden. Doch im Moment gilt es, das Schwere und den Verlust anzuerkennen und anzunehmen, vor wir weitergehen. Und dieses Anerkennen und Annehmen und Aushalten, das ist schwer. Auch für die, die „nur“ im Umfeld sind.
Fragen Sie, was die trauernde Person schwer findet und auch woran sie sich ein bisschen freuen kann. Vielleicht eine Blume, der Duft von Kaffee,… und versuchen Sie auszuhalten, was erzählt und beschwiegen wird.
Die Zeit heilt alle Wunden.
Nein, sie heilt nicht alle Wunden, sonst bräuchten wir keine Ärzte. Und auch Seelische Verletzungen, wie der Tod eines Menschen, heilen nicht einfach durch die Zeit. Es wird nie wieder, wie es war. Und das hinterlässt Narben. Und manchmal bleiben die Narben auch nach Jahrzehnten wetterfühlig. Warum soll für die Seele oder Psyche etwas anderes gelten, als für den Körper?
Und auch hier fragen Sie, was sie der Person Gutes tun können. Ein gemeinsamer Spaziergang, ein gemeinsamer Wellnesstag oder ein feines Essen. Und bei all dem hören Sie zu, seien Sie Da, ertragen Sie wenn weggeschickt werden und kommen Sie wieder (es hat meist mit der momentanen Situation zu tun und nicht mit Ihrer Person). Und immer wenn Sie denken, dass es für Sie zu schwer wird, machen Sie sich bewusst, für die trauernde Person ist es gerade noch viel schwerer.
Einen Satz, der mir noch neu war, als ich in der Gruppe „lebendig durch die Trauer“ die Frage stellte, welche Worte verletzend waren war:
Dr. Heilmann aus der Sachsenklinik hat nach dem Tod seiner Frau auch wieder eine neue Partnerin gefunden.
Erstens handelt es sich um eine Serie (In aller Freundschaft) und Dr. Heilmann hat ein Drehbuch, nach dem er sich richtet. Er ist Schauspieler und heißt in echt Thomas Rühmann. Das Leben ist keine Serie, sie spielt sich nicht nach Drehbuch ab. Auch wenn sich manche trauernden Menschen vorkommen, als wären sie Statisten in einem Film – und auch von dem kennen sie das Drehbuch nicht wirklich. Es ist einfach, ein Drehbuch zu schreiben. So viele Folgen soll er trauern, dann wird es besser, dann findet er eine neue Frau, dann (Achtung Spoiler-Warnung: trennt er sich wieder) und dann ist wieder alles wie es gehört oder doch nicht? Das Leben ist unser Film, wir kennen das Drehbuch nicht. Wir schreiben es selber in jeder Sekunde unseres Lebens. Und das ist besonders in der Trauer schwer. Wenn viele Ziele, viele Wünsche und Träume für das Leben mit gestorben sind. Vergleichen Sie das Leben nicht mit einem Film, Buch, Serie oder Liedtext.
Fragen Sie doch einfach, ob sich die trauernde Person das so vorstellen kann, wie es in diesem Lied, der Serie, dem Buch oder Film vorkommt. Oder ob das Leben mit einer neuen Partnerin wieder lebenswerter sein könnte. Wenn ja, dann darf sich auf jeden Fall ein Gespräch darüber entwickeln, wie sie denn sein soll… Akzeptieren Sie auch, wenn ein Nein die Antwort ist. Dann können Sie fragen, was denn dann Wünsche und Träume für das Leben sind und ob die jetzt schon Platz haben.
Du gehst schon wieder aus? ODER Bist du nur noch zu Hause?
Warum dürfen trauernde Menschen ihr Leben nicht gestalten wie sie es wollen? Eine Klientin sagte zu mir „Egal was ich mache, es ist falsch. Bin ich zu Hause, igle ich mich zu sehr ein. Gehe ich aus, unterstellt man mir, dass es mir eh schon wieder gut geht, dass ich ausgehen kann.“ Sie hat es auf den Punkt gebracht. Egal ob es um trauernde Menschen oder alle Menschen geht, was gibt anderen das Recht zu beurteilen, was andere tun oder nicht tun?
Bleiben Sie wohlwollend und fragen Sie, wenn sie wissen wollen warum die Person das gerade macht. Es freut mich, dass du da bist. Tut es dir gut? ODER Fühlst du dich zu Hause wohler, als draußen? Was kann ich tun, das dir (in beiden Situationen) wohltut?
Damit ein Miteinander auch in der Trauer gelingen kann und wohltuend ist:
Lassen Sie alle Ratschläge und "Besserwissereien" weg. Es gibt den wahren Spruch: "Erst wenn du 1000 Meilen in meinen Mokassins gegangen bist, weißt du wie mein Leben ist." Stellen Sie Fragen und bieten Sie konkrete Hilfe und Unterstützungen an. Versuchen Sie das Schwere mit auszuhalten für den Moment, in dem Sie beisammen sind. Halten Sie das, was erzählt und beschwiegen wird mit dem Menschen aus und machen Sie sich bewusst, dass für ihn die Situation noch schwerer zu ertragen ist, als für Sie, die im Umfeld der trauernden Person ist. Denken Sie auch an eigene Verluste und bemerken Sie Ihre persönlichen Grenzen. Achten Sie auf sich selber, tun Sie sich selber etwas Gutes und tanken Sie für sich auf, um überhaupt eine Hilfe sein zu können. So kann ein Miteinander gelingen und beiden Seiten wohl tun.